#110 | Ohne Bilder
Liebe Leute,
heute gibt es einen Beitrag ohne Bilder. Denn darum geht es: Was tun, wenn der Mensch, den man fotografiert hat, nach Sichtung der Bilder entscheidet, dass sie nicht veröffentlicht werden sollen? Oder später bittet, alle Bilder von homepage und social media zu löschen?
Beides ist mir in 2023 passiert:
Ich schreibe ein Hobbymodel auf instagram an, wir verabreden uns und haben ein sehr nettes shooting. Es harmoniert zwischen uns, wir probieren verschiedene Dinge aus. Wie immer zeige ich dem Model zu Begnn eines sets, wenn ich mit outfit, Licht etc. zufrieden bin, wie das Bild aussieht. Mit einer Systemkamera kann ich ja prima das quasifertige Bild auf dem Display zeigen. Und auch nach jedem set scrollen wir meist zusammen durch die Bilder. Und wir waren beide sehr angetan von dem, was wir da zusammen kreiert und auf den sensor gebannt haben. Und auch nachdem ich die Bildauswahl getroffen und ihr die fertig bearbeiteten Bilder geschickt habe, war sie ebenso zufrieden mit ihnen wie ich. So zufrieden, dass sie gleich eine Auswahl auf instagram präsentiert hat, was ich mit ein wenig Stolz zur Kenntnis genommen habe. Umso größer war mein Erstaunen, als die Bilder nur wenige Stunden später wieder verschwunden waren. Auf meine Nachfrage stellte sich heraus, dass ihr Freund die Bilder zu intim fand und nicht veröffentlicht sehen möchte. Der Grund: sei trug unter ihrem shirt keinen BH. Dies hatten wir zusammen und im consent so entschieden und zu keinem Zeitpunkt hatte ich das Gefühlt, dass das für sie nicht in Ordnung ist. Und das prompte posten auf instagram spricht aus meiner Sicht ja auch dafür, dass sie mit den Ergebnissen sehr zufrieden war. Dass eine moderne Frau in 2023 sich dann der Meinung ihres Freundes unterwirft statt selber für sich zu entscheiden, hätte ich so nicht erwartet. Und ich gebe zu: ich hatte einige Zeit daran zu knabbern, dass sie zwar die Bilder erhalten hat, ich selber mit diesen aber nichts anfangen durfte (wir hatten natürlich noch andere tolle Bilder gemacht, die ihr Freund "freigegeben" hatte, ich bin also nicht völlig leer ausgegangen). Letztlich habe ich mich damit abgefunden. Was soll ich auch machen? Natürlich habe ich kein Interesse daran, Bilder ohne ihr Einverständnis zu veröffentlichen.
Und wenige Wochen später kontaktiert mich ein Hobby-Model, mit welchem ich schon mehrere Male fotografiert habe. Sie bat mich, alle ihre Bilder aus den sozialen Medien und von meiner homepage zu löschen. Der Grund: Sie will nicht mehr modeln und möchte keine Bilder mehr von sich im internet sehen. Sie hat selber auch alle Model-Bilder aus ihrem instagram gelöscht. Auch hier gebe ich zu, dass mir dies etwas ausmacht: Wir haben mehrere Male zusammen fotografiert, dies ging auch von ihr aus. Wir haben tolle shootings gehabt, wir haben wunderbar kreative Dinge ausprobiert, und es sind ganz tolle Ergebnisse dabei entstanden. Sehr unterschiedliche Bilder: vom puristischen Portrait über kreative Portraits mit accessoires bis hin zu niveauvollen Aktportraits. Auch dies soll ich alles löschen?
Ich frage mich, warum ich damit Probleme habe, warum mir das etwas ausmacht? Sicher hat es damit zu tun, dass ich nicht sehr hochfrequent fotografiere. Ich freue mich auf jedes shooting, bereite es vor, mache es zu etwas Besonderem. Löschen der Bilder bedeutet also, dass ich Herzblut umsonst vergossen habe. Mir macht der ganze Prozess Spaß: Die Auswahl der Menschen, die ich fotografieren möchte. Das Freuen darüber, wenn eine shooting-Anfrage positiv beantwortet wird. Das gedankliche Vorbereiten des shootings. Die Kommunkation mit dem Menschen, das Aufbauen einer vertrauensvollen Beziehung, die Grundlage für gute Bilder ist. Das gemeinsame Kreativsein. Das Ausprobieren. Der flow, der entsteht, wenn es harmoniert. Die Freude auf die fertigen Bilder, die Bildauwahl und -bearbeitung an den Abenden. Und natürlich auch: das Zeigen der Bilder. Und natürlich auch, das feedback. Und natürlich freue ich mich, wenn das feedbac positiv ist.
Im Moment hardere ich mit den sozialen Medien: Das Zeigen der Bilder dort ist so unglaublich unbefriedigend. Wenn schon die Bilder der großen Meister nur Bruchteile einer Sekunde angeschaut werden, um dann weiterzuscrollen, wie kurz muss dann wohl die Aufmerksamkeitsspanne sein, die meinen Bilder zuteil wird? Ich denke, dass es heutzutage trotzdem instagram braucht, um sich als Fotograf zu präsentieren. Um Kontakt zu Menschen aufnehmen zu können, die fotointeressiert sind. Also werde ich immer wieder ein neues Bild dort hochladen. Aber: ich such aktuell nach Ausstellungsmöglichkeiten, um meine Bilder auf andere Art zu zeigen. Denn so oder so: Bilder werden gemacht, um sie zu zeigen. Nicht, um die prints in einem Fotokarton einzusperren. Bilder sollen und wollen betrachtet werden. Und im besten Fall, entsteht ein Austausch zwischen Betrachter und Fotograf/Model. Werden Bilder gelöscht und von der Veröffentlichung ausgenommen, kann es kein feedback, keinen Austausch geben. Und das ist schade. Und das ist wohl der Grund, warum es mir etwas ausmacht, wenn ich Bilder nicht mehr zeigen darf.
P.S. Dies ist der Grund, warum auf meinem shooting-blog nun ein paar Beiträge fehlen, die Numerierung also fehlerhaft erscheint.
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